Der Milchviehstall auf dem Betrieb Zimmermann setzt einen neuen Standard, wie Landwirtschaft mit weniger Ammoniakemissionen und dennoch tierfreundlich betrieben werden kann.
Mit einem Anlass wurde am 3. April 2023 der Hof der Familie Zimmermann als erster Musterstall vorgestellt. Folgende ammoniakmindernde Massnahmen wurden auf dem Milchviehbetrieb umgesetzt:
Erhöhte Fressstände sorgen für weniger verschmutze Flächen.
Geneigte Laufflächen lassen den Harn schneller abfliessen.
Ein Entmistungsroboter entfernt den Kot regelmässig.
Die Laufflächen pro Tier sind ohne Abstriche beim Tierwohl optimiert.
Die Liegeboxen sind grosszügig geplant und bieten den Tieren einen hohen Komfort.
Neue Standards beim Stallbau
News zum Anlass vom 3. April zur Präsentation des ersten Musterstalls.
Jeanine und Roman Zimmermann mit Kindern Lea und Juna
Buseri, 6402 Merlischachen SZ
Tiere: 60 Milchkühe der Rasse Brown Swiss und Jersey, durchschnittliche Milchleistung 6500 kg; Abferkelring mit 20 Plätzen und 240 Jagerplätze
Landwirtschaftliche Nutzfläche: 27 ha, davon 2,2 ha Ökologische Ausgleichsflächen
Kulturen: Naturwiesen und 2 ha Kunstwiese, 251 Hochstammobstbäume
Mitarbeitende: Betriebsleiterpaar und Eltern Alois und Bertha Zimmermann
Besonderes: Stallneubau 2022/23: tierfreundliches und emissionsminderndes Stallkonzept, Gülleausbringung mit Schleppschlauch, Ausnahme steile Flächen mit Breitverteiler
Interview mit dem Betriebsleiterpaar Zimmermann:
Was war Ihre Motivation, Ammoniak-Reduktionsmassnahmen beim Stallneubau umzusetzen? Roman Zimmermann: In erster Linie standen das Tierwohl und die Arbeitsentlastung der Betriebsleiterfamilie im Vordergrund. Ausserdem wollten wir mit unserem Neubau auf dem aktuellsten Wissensstand punkto Stallbau sein. Nicht, dass wir nach kurzer Zeit bereits wieder etwas nachrüsten müssen. Das umgesetzte Stallkonzept ergibt eine Win-Win-Situation: viel Tierwohl und weniger Ammoniakemissionen.
Welche Massnahmen wurden beim Stall-Neubau umgesetzt und weshalb?
Wir haben erhöhte Fressstände mit Abtrennbügeln eingebaut. Die Fressstände können so nicht verkotet werden, da sich die Tiere im Fressstand nicht drehen können. Dadurch verringern sich die verschmutzten Flächen.
Die Laufflächen sind alle geneigt, dadurch fliesst der Harn schnell ab und es bilden sich keine Harnlachen. Zudem wird der Harn durch eine Harnsammelrinne direkt in den Güllekasten geleitet. Die rasche Trennung von Harn und Kot hilft Ammoniak zu verhindern.
Damit die Harnsammelrinne nicht durch Kot verstopft, ist sie in den Absatz des Fressstands eingelassen, wird also etwas überlappt und ist somit von Feststoffen geschützt. Ein regelmässiges Spülen war bis jetzt nicht nötig.
Ein Entmistungsroboter reinigt stündlich die Laufflächen. Wir haben uns für ein Modell von Hetwin Avenger entschieden. Er ist einer der wenigen Entmistungsroboter, die mit geneigten Laufflächen bis zu 3 Prozent klarkommen. Bis jetzt lief er problemlos, aber wir hatten ja auch keinen harten Winter. Wenn etwas im Weg ist, bleibt der Roboter stehen.
Der Laufhof ist im Stall integriert. Er befindet sich zwischen Fress- und Liegebereich. Das verringert ebenfalls die verschmutzten Flächen.
Wie verhalten sich die Tiere im neuen Stall?
Die Tiere sind ruhiger. Das hat sicher mit dem Melkroboter zu tun. Die Kühe haben nur ihren eigenen Melk-Rhythmus. Da der Stall offen und sehr luftig gebaut ist, ist die Luft besser und es hat viel Licht.
Früher standen die Tiere im Winter oft im Laufhof und sonnten sich. Wegen den offenen Seiten gelangt die flache Wintersonne nun in den Liegebereich. Die Kühe liegen jetzt die meiste Zeit und wiederkäuen, so wie es eigentlich sein sollte.
Gabe es Probleme beim Bezug des neuen Stalls?
Der neue Boden war zu Beginn sehr rau. Das hatte zur Folge, dass der Klauenabrieb grösser war als zuvor. Unterdessen hat sich das eingependelt, da sich einerseits die Tiere an den neuen Boden gewöhnt haben und dieser andererseits bereits etwas feiner wurde.
Gäbe es noch Verbesserungspotenzial?
Wir sind erst kurze Zeit im neuen Stall, und ich hatte noch keine Zeit, alles genau zu analysieren. Ich war doch sehr mit Bauen beschäftigt. Ich hoffe jedoch, dass sich durch die trockneren Laufflächen die Klauengesundheit verbessert. Im alten Stall hatte ich im Winterhalbjahr oft Mortellaro. Ich rechne auch mit einem Anstieg der Milchleistung.
Wie viel Ammoniak sparen Sie mit diesen Massnahmen ein?
Die einzelnen Massnahmen wurden von Agroscope wissenschaftlich untersucht und es gibt validierte Zahlen dazu. Erhöhte Fressstände sorgen für eine Reduktion von 10 Prozent Ammoniak und Flächen mit Quergefälle für eine Reduktion von 20 Prozent. Ich persönlich habe das Gefühl, dass die Luft im neuen Stall besser ist.
Welche Erfahrungen haben Sie beim Bauen gemacht?
Es gibt noch nicht viele solche Ställe, somit gibt es keine fixfertige Anleitung, wie man zum Beispiel eine Harnsammelrinne einbetoniert. Oft mussten der Stallbauer und ich vor Ort eine Lösung finden.
Gespannt bin ich, ob sich auf dem Boden eine Schmierschicht bildet, da der Harn ja rasch abfliesst. Der Entmistungsroboter ist zwar mit einer Wassereinspritzung ausgestattet, aber ich habe mir bereits Überlegungen gemacht, wie ich das Dachwasser sammeln könnte und wie die Befeuchtung funktionieren könnte.
Wie haben Sie sich informiert, wer hat Sie unterstütz bei der Planung?
Ich habe durch Arbeitseinsätze (Lehrjahre, Auslandaufenthalt und Betriebsleiterablösungen) in verschiedenen Laufställen Erfahrungen gesammelt. Von jedem Stall habe ich das Beste in meine Stallplanung einfliessen lassen. Bei der Projektumsetzung wurde ich von einem Planer, einem Stallbauer und der kantonalen, landwirtschaftlichen Beratung unterstützt.
Wir hatten schon fast mit Bauen begonnen, als ich durch ein Inserat auf die Thematik Ammoniakreduktion und Stallbau aufmerksam wurde. Nach einem Gespräch mit dem Baucoach, Erich von Ah, machten wir dann noch ein paar Anpassungen zugunsten des Klimas. Unsicher war ich wegen der Massnahme erhöhte Fressstände. Kühe mögen keine Stufen. Doch das Argument, dass Entmistungsroboter besser arbeiten, wenn sie an einer Kante entlangfahren, hat mich schliesslich überzeugt.
Gibt es durch den neuen Stall/das neue System auch organisatorische Änderungen oder Managementanpassungen?
Ja, ich habe keine fixen Stallzeiten mehr, da die Kühe zum Melken in den Melkroboter gehen und über ein Futterband gefüttert werden. Das heisst aber nicht, dass ich keine Stallrundgänge machen muss.
Da ich gerne Neues ausprobiere, plane ich, das Kälbertränken ebenfalls zu automatisieren, indem ich eine Boxe mit Kälbern und Ammenkühen einrichte. Das ist gut fürs Tierwohl, und diese Art von Landwirtschaft wünschen sich heute die Konsumentinnen und Konsumenten.
Technische Angaben
Erhöhter Fressstand mit Abtrennung
Podesthöhe: 10 cm
Länge des Fressplatzes: 155 cm
Breite des Fressplatzes pro Kuh: 80 – 100 cm
Abtrennbügel: Länge 150 cm, De Laval Kuststoffrohrabtrennung
Niveau-Unterschied Fressplatz und Futtertisch: 20 cm
Futterband
Gea Fütterungsband mit stationärem 2-Schneckenmischer, 20m³
Laufflächen geneigt mit Harnsammelrinne
Quergefälle: 3 %, auf beide Stallseiten
Längsgefälle: keines, wegen der Harnsammelrinne
Harnsammelrinne: aus Kunststoff von Moser Stalleinrichtungen, geschützt durch leichten Überhang der Fressstandkante, damit sie nicht verstopft. Dadurch war bis jetzt keine Spülvorrichtung notwendig. Die Harnsammelrinne wird sporadisch mittels Schlauch gereinigt.
Entmistungsroboter auf geneigten Flächen
Hetwin Avenger Pickup, läuft stündlich, mit Wassereinspritzung, bleibt stehen, wenn etwas im Weg ist
Optimierungen der verschmutzen Fläche
Wenig Verschmutzung im Fressstandbereich, durch erhöhte Fressstände mit Abtrennung, Laufhof im Stall integriert
Tierkomfort
BTS-Stall
Liegeboxen nach Norm, jedoch mit viel Platz im Kopfbereich
Einstreu mit Dinkelspelzen-Pellets
Licht- und Luftverhältnisse
Das Objekt ist sehr offen gebaut und Ost-West ausgerichtet. Die Hauptlüftungsrichtung ist längs. Gegen Westen schirmt der nahegelegene Wald gegen den Wind ab. Hier könnte im Winter zusätzlich ein Windfang aufgehängt werden. Gegen Osten (von hier kommt auch die Bise) schirmt das Wohnhaus den Wind ab, hier wir ein Tor montiert, da sich in diesem Teil des Stalls die Abkalbebox und die Kälber befinden.
Durch die offenen Seiten ist es sehr hell im Stall. Im Winter scheint die flache Wintersonne auf den Liegebereich, im Sommer hat es Schatten.
Melkroboter
GEA Dairy Robot R9500
Beim Standplatz des Melkroboters wurde auf das Gefälle verzichtet, damit er geradesteht.
Bau
Der Stallneubau wurde von der Firma Holzumbau, Küssnacht am Rigi, geplant und mit der Firma Appert Bau GmbH, Brunnen, umgesetzt.
Fachlich wurde der Stallbau vom Zentralschweizer Baucoach Erich von Ah begleitet.
Das Quergefälle wurde mittels Laser betoniert.
Für die Konstruktion wurde vorwiegend eigenes Waldholz (Fichte und Weisstanne) verwendet.
Der alte Stall wurde abgerissen und der neue am selben Standort erstellt.
Auf die Dachfläche ist eine Fotovoltaik-Anlage vorgesehen, diese ist aber noch nicht montiert.
Kosten
Der Betriebsleiter hat im Vorfeld viel selber geplant und bei der Umsetzung viel Eigenleistung eingebracht.
Beim Bau entstanden bei folgenden Positionen Mehrkosten:
Erhöhung Fressstand:
Fr. 2500.00 (geschätzter Mehraufwand Baumeister)
Abtrennbügel:
Fr. 7000.00
Harnsammelrinne 70m:
Fr. 6900.00
Einbetonieren der Harnsammelrinne:
Fr. 2000.00 (geschätzter Mehraufwand Baumeister)
Spülleitungen für Harnsammelrinne
Fr. 600.00 (ungefähr)
Durch die Verwendung von Harnsammelrinnen aus Kunststoff statt aus Chromstahl konnten rund Fr. 5000.00 eingespart werden.
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